Offener Unterricht
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  • USA - open education

    Der Begriff Offener Unterricht geht nach Jürgens auf die 'open education' in den USA zurück, die im Jahr 1931 entstand. Schon damals war die Bezeichnung ein Sammelbegriff und ein Synonym für ähnliche Unterrichtsauffassungen der Reformpädagogik, wie z.B.: progressive education, informal education, open classroom. (Jürgens, E.: Die 'neue' Reformpädagogik und die Bewegung Offener Unterricht, 2004, S. 41)

    England - Hadow-Report (1931) und Plowdon-Report (1967)

    Eine andere Quelle (Brenner, Joachim: Alter Wein in neuen Schläuchen (Wissenschaftliche Hausarbeit im Rahmen der ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Sonderschulen, o.O., 2002; http://www.foepaed.net/brenner/offener-unterricht.pdf) nennt als Ursprung England und die dortige Curriculumdiskussion. In Amerika sei die Diskussion erst im Gefolge der englischen um den sog. Plowdon-Report 1967 entstanden - einer soziologisch ausgerichteten Untersuchung über Kinder und ihre ersten Schulen. Er wird als eines 'der bedeutendsten Dokumente zur englischen Grundschulpädagogik' bezeichnet. (Kasper, Hildegard; Piechorowski, Arno (Hrsg.): Offener Unterricht an Grundschulen. Berichte englischer Lehrer. Ulm: Vaas 1978.)

    Michael Göhlich (Offener Unterricht - Geschichte und Konzeption, in: Göhlich, M. (Hrsg.) Offener Unterricht - Community Education - Alternativschulpädagogik - Reggiopädagogik, 1997, Weinheim, Base., S. 26 - 38) nennt auch England als Ursprung, setzt aber deutlich früher an: In der Tradition der Infant Schools von Robert Owens und der englischen Tradition des 'innerschulischen Großraums'. (S. 26). Göhlich sieht den Plowden-Report als direkte 'überprüfung der Hadow-Kommission über Grundschulen (1931) und Kleinkindereinrichungen (1933)

    Hadow-Report

    Im Hadow-Report von 1931 heißt es in Anlehnung an Dewey, die Reformpädagogik und die Arbeitsschulgedanken: "Das Curriculum sollte man sich ehr in Begriffen der Aktivität und Erfahrung als in Begriffen des zu erwerbenden Wissens und gespeicherter Fakten denken." (Hadow-Report: The Primary School, London, 1931, S. 75; zitiert nach: H. Kasper: Offene Unterrichtsformen in der englischen Primarschule - Entwicklungen und gegenwärtige Problematik; in: G. Reiß/G. Eberle (Hrsg.): Offener Unterricht - Freie Arbeit mit lernschwachen Schülerinnen und Schülern, Weinheim, 1992, S. 94) Die Zeit der Kinder sollte als 'free day' mit einem fächerübergreifenden 'integrated curriculum' gestaltet sein. (Vgl. ebenda)

    Eine der großen Fragen der Unterrichtsplanung ist immer die Beschreibung der Interessenlage der Kinder. Kasper bemerkt dazu: "Wenn Bedürfnisse von Lernenden als vielseitig bedingt, auch eingeschränkt und beeinträchtigt erscheinen, können sie nicht eindimensionaler Bezugspunkt des schulischen Lernens sein." (Vgl. ebenda, S. 96) Genau besehen muss ja viel schärfer formuliert werden: Wenn die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes vielfältig sind - und in der Klasse sitzen viele Kinder zusammen, die je nach Tagesform ganz unterschiedliche Bedürfnisse haben - dann kann nicht diese Vielfalt durch z.B. Motivation zu einem eindimensionalen Bezugspunkt geschrumpft werden. Das nimmt Kinder nicht ernst. Dann kann man sich diese ganzen Klimmzüge sparen und nach dem Diktat des Lehrplans lehren und lernen.<)p>

    Plowden-Report

    Der Plowdon-Report stellt darüberhinaus 'die überragende Bedeutung der Einstellung der Eltern zur Erziehung und Bildung ihrer Kinder für den Schulerfolg (Kasper 1967, S. 481) fest. Daraus hat Göhlich Merkmale für zukünftigen Grundschulunterricht abgeleitet: "kleine und überschaubare Grundschulen; werkstattähnliche Lernumgebung; fächerübergreifendes Curriculum, entdeckendes Lernen, individuelle und Gruppenarbeit gleichermaßen möglich, gleitende Einschulung in meist altersübergreifende Klassen, Eltern als Helfer; Fortbildung am Arbeitsplatz" (Göhlich, S. 28).

    'Der Plowden-Report kann nun nicht nur die neueren Studien Piagets und seiner Mitarbeiter zur kognitiven Entwicklung in den verschiedensten Bereichen einbeziehen, sondern auch die inzwischen erstarkte soziologische Forschung zu unterschiedlichen Herkunftsmilieus und deren Differenz zur Institution Schule berücksichtigen. Als pädagogisch bedeutsamen Schritt erweist sich rückblickend, daß der 1967 erschienene Plowden-Report alle elementarpädagogischen Einrichtungen von der Nursery School über die Infant School bis zur Junior School in einem Band abhandelt, wobei die Infant School der Primary School zugeordnet wird.' (Göhlich, S. 27) Die Infant School ist für Göhlich der Ausgangspunkt des Konzeptes des offenen Unterrichts.

    Der fünfte Teil des Plowden-Reports, von der Kommission als Herzstück bezeichnet, wurde nicht ins Deutsche übersetzt. Hier wird gefragt, ob Herausfinden sich als besseres Lernverfahren erwiesen hat als zuzuhören, was man erzählt bekommt. Es wird gefragt, ob 'Methoden erarbeitet wurden, durch die Entdeckung stimuliert und geleitet werden kann' und wie der interne Arbeitsablauf der Schule und in den Klassen so organisiert werden kann, dass sowohl den Bedürfnissen langsamer lernender und hoch begabter SchülerInnen Rechnung getragen wird. (Vgl. Göhlich, S. 27)

    Die Kommission fordert, dass Schulen geeignete Umgebungen für die Kinder herstellen müsse - nicht damit sich das Lehren verbessere - sondern damit Kinder die Möglichkeit hätten, 'sie selbst zu sein und sich auf die ihnen gemäße Weise und in dem ihnen gemäßen Tempo zu entwickeln. ... Sie legt besonderen Wert auf individuelle Entwicklung, unmittelbare Erfahrung und schöpferische Arbeit. Sie besteht darauf, dass das Wissen nicht in säuberlich voneinander getrennten Fächer zerfällt und dass Arbeit und Spiel sich nicht gegenüber stehen sondern sich ergänzen.' (Göhlich, S. 27)

    Die englischen Pädagogen der 70er Jahre versuchten den Beweis zu führen, dass es eben nicht die 'enggeführten Trainingsprogramme', nicht die 'verschulten Situationen' seien, sondern gerade der 'offene Ansatz' und die 'freie Situation' sind, die den 'Lernenden die entscheidenden Schlüsselerfahrungen ermöglichen.' (Vgl. ebenda, S. 96) In ihren Projekten zum Sachunterricht zwischen 1967 und 1977 sieht Kasper ein "Suchen nach 'Strukturen der Offenheit'" (Ebenda).

    Zeitlich fällt der Plowden-Report zusammen mit den damals vorhandenen großen curricularen Freiräumen, die dieses entdeckende Lernen in den Vordergrund stellt und einer individuellen kollegiumsinternen Lehrerfortbildung. (Göhlich, S. 28)

    Nuffield Junior Science Projekt

    Im Nuffield Junior Science Projekt (1960ff) heißt es: 'Das fünf jährige Kind, das in die Infant School kommt, verbringt die meiste Zeit mit Beobachten. Um dies zu tun, experimentiert es, z.B. dass es den Finger in einen Klumpen Ton drückt, oder Farben mischt ... Es stimmt, dass, wenn ein Kind beobachtet, experimentiert und einen Gedanken, den es hat, testet, bevor es ihn für richtig hält, es sich dann auf einem ernsthaften Weg der Wissenschaft befindet. ... Ihre eigenen Frgen scheinen ihnen am bedeutungsvollsten zu sein und führen zumeist zu sorgfältigen Untersuchungen. (Nuffield Science Report, Teacher's Guide 1, hrsg. v. E. R. Wastnedge, London 1970, Kap. 1; zitiert nach Göhlich, S. 28) Der offene Unterricht scheiterte damals an 'konservativen Opponenten', die ein nationales Curriculum, schulische Leistungsmeßungen, eine bessere Lehrerbildung und eine Qualitätsverbesserung des Unterrichts forderten (Thatcherismus). Zwar wurden die Erfolge des offenen Unterrichts anerkannt, aber bemängelt, daß weniger begabte und nicht so erfahrene Lehrer das Konzept nicht umsetzen können. Eine empirische Überprüfung dieser Behauptung gibt es bisher nicht.(Vgl. Kasper, S. 102f)

    Kommentar


    Immer dann, wenn etwas Neues mit dem Maßstab des Alten gemessen wird - hier: der Offene Unterricht am Maßstab der Wissensmenge - werden Äpfel mit Birnen verglichen. Dieser falsche Vergleich wird auch gerne wiederholt, z.B. von Oelkers, der auf Grund von Schweizer untersuchungen so zu dem Schluss kommt, dass auch in Zürich der Vergleich der Lernergebniße zwischen offenen und geschlossen Unterrichtsituationen eindeutig belege, dass letztere klar im Vorteil seien.

    Vom Lernsubjekt aus gesehen ist dieser Vergleich unsinnig, weil die blanke Wissenszunahme in einem beschränkten Zeitraum mit einem Fortschritt in der persönlichen Entwicklung verglichen wird, bei der die Wissenszunahme zwar größer ist aber nicht in vergleichbaren kurzen ZeitrŠumen stattfindet.

    Langfristig gesehen liegen auch die Lernergebnisse der libertären Schule Summerhill - dort brauchen Schüler gar nicht zum Unterricht zu gehen - über dem landesweiten Durchschnitt in England und die des Offenen Unterrichts in Deutschland deutlich über dem Durchschnitt der nationalen Lernergebnisse.

    Politisch gesehen erhalten solche Versuche nicht die nötige Zeit und sind der massiven Kritik konservativer Kreise ausgesetzt. Wie immer werden dann Vergleiche zwischen herkömmlich unterrichteter Schüler und selbst lernender Schüler angestellt, mit dem immer gültigen Ergebnis, dass Birnen die schlechteren Äpfeln sind. In England veröffentlichte N. Bennett 1976 diesen Vergleich: 'Lehrstile und Schülererfolg' der dann in die Einführung eines Nationalen Curriculums mündete.(Vgl. Göhlich, S. 29)<(p>



    weiterführende Literatur


    • Plowdon-Report: Kinder in der Primarschule (1967), in: Wolfgang Einsiedler, Bad Heilbrunn, 1979, S. 45 - 60, (Auszug in deutscher Sprache: S. 493 - 542)
    • Hadow-Report: The Primary School, London, 1931

    • Göhlich, Michael (Hrsg.): Offener Unterricht - Community Education - Alternativpädagogik - Reggiopädagogik. Die neuen Reformpädagogiken. Geschichte, Konzeption, Praxis. Weinheim, Basel: Beltz 1997)
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