Offener Unterricht
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Englisch

Weniger Englisch lehren, aber mehr Englisch lernen

(Autor: Walter Hövel)


Der Ausgangsgedanke:

Kinder können aus eigener Kraft, aus der eigenen Erfahrung, aus eigenen Kenntnissen der "Fremd"sprache und Erkenntnissen über Sprache und Sprachen, aus ihrer existenten Umgebung heraus, selbst Englisch lernen und wir müssen diesen Vorgang in der Schule "nur noch" organisieren.

Begründung:

Vieler schulorts wird Englisch nicht gelehrt, um die Sprache zu sprechen, sondern um Englischklassenarbeiten schreiben zu können. Zum Glück für die Lernenden wird aber trotz Schule und ihrer Didaktik gelernt, weil das Lernen der Menschen nicht wirklich zu verhindern ist und weil wir zwar nicht in Hongkong, Delhi oder einem EU-Mitarbeiter-Viertel in Luxemburg leben, aber in der sich globalisierenden Gemeinde Europa, die Englisch, wie die USA, Indien, Irland, Kenia oder Australien als Verkehrssprache ausgewählt bekamen oder auswählten.

Wir haben zwei Möglichkeiten, um mit dem Lernen der englischen Sprache zu beginnen: Ich setze voraus, dass der Kenntnisstand bei Kindern gering und zudem verschieden entwickelt ist. Ich setze voraus dass das "zufällige" Lernen des Einzelnen, wenn es denn stattfindet, unvollständig, fehlerhaft und beliebig ist. Dies "Gefahr" ist den Schulbuchverlagen und vielen LehrerInnen zu groß. Sie zwingen die Lernenden in die unterstellte Ausgangslage, dass sie nichts können und von nun an gemeinsam, gleichschrittig und im Einzelschritt vollständig, fehlerfrei, wissenschaftlich geordnet und begründet die Sprache durch eine allmächtige, also der Sprache mächtigen SprachlehrerIn vermittelt bekommen. Die Ergebnisse werden einer Gaußschen Normalverteilungskurve zugeordnet. Wenige lernen sie sehr gut oder nicht, viele lernen sie gut oder mangelhaft, die meisten befriedigend oder ausreichend, was, wieder gesamte Vorgang am vorhandenen Durchschnitt der deutschen Schule gemessen wird und nicht etwa am Lernerfolg der zwei- bis fünfjährigen kleinen Neuseeländer, Philippinen oder Malteser, die diese Sprache ohne Schule lernten.

Die Gründe für gesteigerte Erfolge dieser Vermittlungsart liegen fast immer bei der Lehrperson, wenn diese eine Beziehung als Grundlage des Lernens herstellen kann, die emotionale Bereitschaft zum Lernen durch Authentizität einer Lehrer-Persönlichkeit anbietet und durch ungetrübte Sachkenntnisse die Gelassenheit vorhandenen Selbstbewusstseins gegen typisches schulmeisterliches Verhalten einsetzen kann. In der Auffassung der herrschenden Hirn- und Lernforschung geschieht dies aber nicht, weil nun die "Methode" so erfolgreich sein muss, sondern weil der Lernende so animiert und selbst motiviert ist, dass seine Selbststeuerungsmechanismen des Lernens in Gang gesetzt werden, sein Gehirn die Verknüpfungen und Schaltmusteraktivieren kann und die Blockaden des Lernens nicht auftreten. Wir wissen um die Rolle der professionellen, psychisch gesunden und zum Dialog mit Kindern fähigen Erwachsenen-Persönlichkeit. Aber sie versucht nicht, diese Menschen zum Herrscher über den Lernprozess und den Lernenden zu machen, sondern sie setzt auf die menschliche Gabe des individuellen und gemeinsamen selbstbestimmten und selbst organisierten Konstruieren von Welt und Persönlichkeit durch Lernen und Leben.

Dies bedeutet für den Fremdsprachenerwerb und den Erwerb der bereits in der direkten Umgebung des Lerners existierendenenglischen Sprache, dass die bereits entwickelte individuelle und die vorhandene Kompetenz der Lerngruppe anerkannt werden, diese zur Grundlage der Arbeit gemacht werden und von hier aus nicht mit dem Ziel einer gleichen Beherrschung der englischen Sprache durch alle, sonder mit dem Ziel verschiedener Sprachentwicklung und Sprachkompetenz des Einzelnen gearbeitet wird.

Dieser Prozess wird sowohl individuell als auch kooperativ in der Gemeinschaft der Lernenden mit ihrer Umwelt gestaltet.

Die Organisation:

Fragen Sie Schulkinder, die noch keinen Englisch"unterricht" hatten, wie viele Tiere sie auf Englisch benennen können, welches Essen, welche Kleidung, welche Farben, welche Spielzeuge, welche Länder, welche Zahlen, welche Computerbegriffe, wie ihre Spielzeuge oder Magic-Karten heißen.

Arbeiten Sie mit ihnen daran, welch Verben und Adjektive sie durch Untersuchung ihres Zuhauses, beim Fernsehschauen oder sonst wo in ihrer Erfahrungswelt herausfinden, und sie werden play in Playstation und woanders go, live, drink, love learn, wash, buy, write, oder fly und fine, better, funny, happy, sweet oder wonderful in Reklame, auf Labeln oder in Songs entdecken.

Lassen Sie sie Sätze auf Englisch schreiben, nicht nachdem Sie ihnen etwas beigebracht haben, sonder sofort und zuerst.

Lassen Sie kleine Gedichte auf Englisch schreiben, lassen Sie Liedtexte umschreiben oder selbst texten.

Helfen Sie ihnen, indem Sie ihnen zeigen, wie Elfchen oder andere einfache Textformen gemacht werden, geben Sie ihnen die Wörter, die sie brauchen, öffnen Sie im Internet das Leo-Wörterbuch (leo.org) oder ein anderes.

Verbessern Sie, aber wie bei freien Texten nachher, nicht während des Schreibens. Bringen Sie ruhig das von den Kindern Geschriebene in die korrekte Orthographie, aber nicht als Bestrafung für fehlerhaftes Schreiben, sondern als Begegnung mit der korrekten Schreibweise.

Lassen Sie die Verwandtschaft zwischen der deutschen, falls vorhanden, anderen Sprachen und dem Englischen untersuchen. Sie werden hunderte von Wörtern finden, die so leichter lernbar werden.

Lassen Sie die SchülerInnen selbst die Strukturen der Sprache entdecken und beschreiben. Lassen Sie sie selbst ihre Arbeitsformen herausfinden.

Spielen Sie Spiele auf Englisch mit ihnen, bieten Sie Reime mit und ohne Bewegungen an. Singen Sie englische Lieder, aber nicht diese Kinder heimelnden. Singen Sie "The River she is flowing", "Heaven is a wonderful place", "Lucky lips" und auch einmal "If you're happy" und "I like the flowers".

Lassen Sie kleine Dialoge, Harry-Potter-Szenen oder Szenen aus englischen Kinderbüchern spielen. Lesen Sie daraus vor, erklären Sie, arbeiten Sie am Verständnis.

Lassen Sie Bilderbücher, Wörterbücher oder Liebesbriefe schreiben und gestalten.

Geben Sie ihnen "I'spy-Bücher", englisch Science-Karteien oder englische Computerlernspiele (viele deutsche kann man einfach auf Englisch umstellen) und lassen Sie sie damit arbeiten, auch wenn Sie nicht sofort sehen, wozu das gut ist.

Lesen Sie Harry Potter oder bekannte deutsche Märchen auf Englisch vor, lassen Sie im englischsprachigen Internet surfen, in Zeitungen und Illustrierten Englisch heraussuchen und ausschneiden. Lassen Sie englische Lieder oder Hörspiele hören, Comics lesen, englischsprachige Filme sehen, ob Laurel und Hardy, Harry Potter oder Mickey Mouse und, und und....

Machen Sie Ihre Klasse, Ihren Kurs zu einer Werkstatt der Eroberung der Sprache, die sie beherrschen lernen. Machen sie den Lernenden klar, was sie bereits alles in der Sprache kennen und können, nicht, was sie falsch machen oder von Ihnen zu lernen haben.

Gehen Sie auf die verschiedenen Lerntypen ein. Die einen lernen eher selbstständig, mit elektronischen Medien, mit Sprachkassetten, mit englischen Schulbüchern oder Workbooks, dadurch, dass sie selbst schreiben, Bücher oder Korrespondenzen erstellen, die anderen nehmen gerne Ihre Angebote wahr, lernen direkt von Ihnen oder mit Ihrer Hilfe. Laden Sie Native Speaker ein oder suchen Sie sie auf.

Der an Freinet orientierte Englischunterricht hat nicht gegen, sondern mit den Kindern vereinbarte Lehrgänge, Lehrererklärungen, Stationen, Animationen oder Angebote. Diese dürfen aber nicht dazu führen, dass sich Kinder gezwungen fühlen, nicht den eigenen Weg gehen zu können, oder sich aus Bequemlichkeit auf die Führung der LehrerInnen verlassen.

Es geht vielmehr darum, dem individuellen Erwerb der Sprache die absolute Präferenz zu geben und gleichzeitig (!) die Kraft der kooperierenden Lerngruppe durch gemeinsame Planung, Verabredung zum Arbeiten, eigenständiges Arbeiten außer- und innerhalb der Schule (und sei es nur elektronisch), Beschaffung von Lerngegenständen, regelmäßiges Präsentieren des Erarbeiteten, Reflektion und Evaluation der Arbeit und der Leistungsprogression aller Kinder zu nutzen. Die Lernenden lernen eine Sprache, um sie sich selbst zu erobern (nicht um Tests zu bestehen) und dabei zu lernen wie sie selbst Sprachenlernen lernen.

Die Lehrerin oder der Lehrer werden Initiatoren oder Erhalter selbstgesteuerter individueller und kooperativer Lernprozesse, Beschaffer von Fremdsprachen-Know-How, Medien und Lernideen, und sie müssen gute Transporteure der englischen Sprache sein.

Verabreden und organisieren Sie das gesamte Lernen mit den Kindern im Kreis. Der Kreis ist dafür verantwortlich, dass in der Gruppe gelernt werden kann, jedes Kind ist für sein Lernen verantwortlich und Sie als LehrerIn sind für das verantwortlich, was Sie können.

Méthode naturelle:

Nicht eine künstlich gemachte Didaktik prägt den Lernweg des Einzelnen, sondern die eigene vom Menschen seit seiner Kindheit an durch sich selbst, die direkte und die sich erweiternde Umwelt geprägte Lernerpersönlichkeit. Die Systematik und die Struktur werden nicht von außen vorgegeben, sonder sie konstruieren sich von innen heraus durch das selbst konstruierende Handeln und Lernen. Menschen sind von Natur aus lernwillige Wesen, sie lernen ihre Lernen durch eigenes Handeln, Arbeiten, Spielen, Denken, Fühlen und Sprechen. Gerade der Erwerb einer kontaktierbaren Fremdsprache kann natürlicher eine eigene Begegnung und Aneignung organisiert werden.

Tasten und Versuchen:

Das erfolgreich bleibende Lernen ist ein Lernen in eigener Erfahrung durch Begegnung in Verschiedenheit und Vielfalt, eigene Fehlerkorrektur, ständig handelndes und erprobendes Agieren, mit dem Recht auf Irrtum, Umweg, Mühe und Erfolg. Es ist der eigene Weg der eigenen Verantwortung. Gerade eine Sprache braucht nicht die Einschränkung durch ständige Korrektur und Beurteilung, sondern die Erfahrung des erfolgreichen oder erfolglosen Anwendens in der Realität der Kommunikation durch Erprobung von Viabilität und Wirkung.

Freier Ausdruck:

Der Freie Ausdruck ist der Haupttransporteur jedes Erkenntnisgewinns und selbst angeeigneten Lernerfolgs. Wir lernen, wir prägen unsere eigene Existenz, indem wir uns selbst produzieren. Wir konstruieren uns und unsere Welt auf der Grundlage unseres Emotionierens durch unsere Sprache. Wir lernen unser Handeln und Denken auszudrücken, indem wir es tun. Die Notwendigkeit des Handelns wird in der Freinetpädagogik mit dem Recht der Kinder auf ihren freien Ausdruck zu grundlegenden Lernstrategie vereint. Ich lerne Englisch, indem ich vorhandenes Sprachmaterial, Handlungs- und Kulturkompetenzen be- und verarbeite, Neues (wieder)erfinde und so meine eigene Sprachkompetenz, vor allem in der Begegnung mit anderen "Sprachproduzenten" in echten oder gespielten Situationen, erweitere.

Bibliothek:

Wichtiger als Schulbücher war immer das Leben. Mit dem Leben, die Menschen und die Orte der Umwelt, die Arbeit. Aus dem Leben in die Schule wurden immer Bücher und Medien geholt und vorallem die eigenen Wahrnehmungen, Erkenntnisse und Kenntnisse in Form von eigen sinnigen und eigen produzierten Texten, Büchern, Kunst und Ideen.

Korrespondenz:

Der Kontakt von Mir zu Mir selbst, vom Ich zum Du, zum Wir in der Klasse, zu anderen Klassen und Kindern, zur Welt der Erwachsenen, zur Erfahrung der Welt als dem umfassenden Wir haben das in der Praxis der Freinetklasse immer realisiert, im Kreis, in der Wandzeitung, in der Klassenzeitung, in der Präsentation, in der Korrespondenz mit anderen Klassen. Unsere Klassen lernten früh die elektronische Kommunikation als globale Kommunikation zwischen Webcam, Chatcorner, E-Mail und Homepage zu nutzen. Was kann Sprachenlernen besseres passieren als die Möglichkeiten der digitalen Kultur zu nutzen?

Dokumentation und Arbeitsmittel:

Das Lernen der Freinetklasse braucht Material in der Klasse, Papier, Farben, Tonträger, Kameras, Verkleidungen, Computer, Bücher, selbst gemachte Lernangebote für andere, Techniken und Werkzeuge wie den freien Text, die Klassenzeitung, Theaterspiel, Schattenspiel, Kassetten und Filme, Experimentierecken, etc. und viel Zeit und Raum dies anderen und sich selbst zu zeigen. Sprache wird nicht "auswendig" gelernt, sie braucht viel Fantasie und Kreativität und viel Ordnung und Realisation um Innen anzukommen und lebendig zu sein und zu bleiben.

Selbsteinschätzung / Eigenevaluation:

Die Kinder lernen sich selbst und ihre Leistung selbst einzuschätzen. Das Selbstbewusstsein und das Selbst-Wert-Gefühl sind entscheidende Motoren für das Arbeiten und Lernen. Ein Sprachunterricht, der zulässt, dass jedes Kinde, jeder Lerner sein eigenes Englisch lernt, braucht anerkannte lange Phasen der Planung von Arbeit, des Ausmachens von Arbeitsverträgen, reichhaltige Methoden des Portfolios, gut vermittelte Einblicke in Lehrpläne und Leistungsmöglichkeiten, etablierte Phasen der Präsentation mit einer Kultur des Respekts vor der Arbeit des Anderen bei gleichzeitiger offener Kritik, gut entwickelte Klassen- oder Kursräte, die aus der eigenen Arbeit lernen und Kraft, Vertrauen und Wissen zu verbesserten Weiterarbeit schöpfen.

Learning English by Doing Self Determinated Language Learning:

Die Europäische Union als unsere "oberste wirtschaftliche, politische und kulturelle Instanz" hat ein ökonomisch-bildungspolitisches Konzept, die "Strategie von Lissabon "beschlossen". Diese sieht für die nächsten Jahre vor, die digitale Kultur zur vierten Kulturtechnik in allen europäischen Schulen zu etablieren und gleichzeitig die nicht nur digitale, sondern auch globalste Sprache, das Englische, von allen Europäern lernen zulassen. Ziel ist Europa zur führenden Wirtschaftsmacht zu machen. Darum geht es nicht nur um die Verständigung in dieser Sprache im Urlaub, beim Bier, Flirten oder Lesen, sondern darum, dass bald alle Europäer in Englisch zusammen arbeiten, kaufen, verkaufen, forschen und lernen können.

Freies Lernen:

Somit ist das erste Problem nun an unserer Schule, dass das Erlernen der englischen Sprache Pflicht ist. So wie beim Lesen, Schreiben und Rechnen fragt auch beim Englischlernen niemand, ob dies jemand in der Schule, im Unterricht lernen will. Daher ist Englisch wohl auch konsequent als ein "Hauptfach" mit schriftlicher Überprüfung eingeführt geworden.

An unserer Grundschule Harmonie ist es so, dass die Botschaft der Union naturgemäß noch nicht bei allen Kindern angekommen ist: Die Einsicht in eine Notwendigkeit des systematischen Erlernens dieser Sprache existiert in ihrem Alltag nicht. Hier geschieht es eher "zufällig". Andere Kinder haben vor allem bei einer entwickelten beidseitigen oder gar dreiseitigen Halbsprachigkeit Probleme genug mit der deutschen und der eigenen Sprache. Das Englische muss zunächst als weitere Belastung empfunden werden. Wir stehen also vor dem Dilemma, dass, nachdem unsere Schüler eigene freiwillige Zugänge zu Sprache, Schrift und Lesen, zur Mathematik, Kunst, Musik und zum Sport, also zu einem freien Lernen gefunden haben, nun etwas tun müssen, was manche noch gar nicht tun wollen. Dass sie es eigentlich noch früher lernen können, wissen wir.

Offenes Lernen:

Unser zweites Problem ist die Offenheit, die Selbstorganisation und die Selbstbestimmung des Lernens und Erarbeitens der englischen Sprache. Die Kinder unserer Schule haben keine Probleme die englische Sprache in ihrer Welt und bei sich selbst zu entdecken. Sie haben keine Probleme mit den Arbeitsmitteln, ob Bücher, Netsites, Hörbücher, Kassetten, Spiele, Filme, Lieder oder was uns sonst in Unmengen an englischsprachiger Welt umgibt. Sie übertragen sehr schnell ihre produktiven Kompetenzen. Sie produzieren englische Texte, Lyrik, Theaterstücke, Dialoge, Bücher, eigene Wörterbücher, Plakate, Sketche, Songtexte, etc, etc. Sie ke(ö)nnen die englische Sprache schon. Sie ist in ihren Köpfen. Sie müssen dieses bereits eigene Wissen und Können nur bewusst erfahren.

Der Kern des Problems ist der Kern des Englischlernens, das Sprechen, das Handeln, Spielen und Erproben, das Sich-Ausdrücken mit einer guten Aussprache. Es fehlt an der lebendigen Begegnung mit handelnden und verstehenden Partnern. Es wird noch etwas dauern bis wir unsere Direktübertragungen in Ton und Bild via Computer mit englischen Partnerklassen stehen haben und bis Grundschüler in England ihre Besuche und Praktika machen können. Wir sind hier mehr als in allen anderen Bereichen durch unsere sprachliche Kompetenz in einer eher klassischen LehrerInnenrolle. Sprache lernen bedarf der Beziehung. Wir müssen sie herstellen, ohne sie zu einer leider oft üblichen Lehrer-Schüler-Beziehung mit verteilten Machtrollen werden zu lassen.

Demokratisches Lernen:

Und damit wären wir beim Problem der Struktur von Lernen und Schule. Da gehen unsere Ministerien hin und führen Englisch nicht als Lerngegenstand einer pädagogischen Grundschule, sondern als ein gymnasiales Fach ein: Zwei Stundenplanstunden a 45 Minuten, FachlehrerInnen, die nur noch mit ReligionslehrerInnen vergleichbar, einen speziellen "Didaktiknachweis" vorzeigen müssen, Klassenarbeiten, Zensuren, Schulbücher ausgehend von der Tabula-rasa-Theorie mit Wissenseintrichterung in für alle gleichschrittigen Lektionen, immerhin ein bisschen Reimen und Bewegen, abgelernt von der englischen Primaryschool und, wie eh eingeteilt in unsere guten alten Jahrgänge, die einmal zur leichteren Einberufung der Abschlussklassen zum Militär erfunden wurden. Und da gehen die Macher wieder einmal davon aus, dass die Kinder noch nichts können, dann nichts falsch, also unkontrolliert lernen dürfen, um im Test für eine Note ihr Wissen auf dem gleichen Stand abzuliefern. Für den Spaß wird schon die Motivationskunst der begnadeten Lehrerinnen oder der kindgemäß lustigen Lehrer sorgen. Oder: Auch der mieseste Englischunterricht kann bei der täglichen Begegnung mit der Sprache nicht verhindern, dass immer mehr Leute Englisch einfach lernen, oft auch in der Schule trotz Schule.

Wenn man bedenkt, dass es z.B. in NRW einen klugen und zeitgemäßen "Begegnungssprachenerlass" gab, dass es eindeutige Erfahrungen des individuell-kooperativen und offenen Lernens gibt, dass es eine entwickelte erfolgreiche Didaktik der Grundschule gibt, die in jedem internationalem Vergleich den gegliederten weiterführenden Schulen überlegen ist, so konnte man und frau dieser "Einführung" nur kopfschüttelnd, ruhig und staunend zuschauen.

Konsequenzen:

Wir haben das Englischlernen gerne bei uns eingeführt. Wir taten es nämlich schon 1998, in den ersten bis zu den vierten Klassen. Die Eltern zahlten einen Euro pro Kind pro Stunde für eine selbstfinanzierte Lehrerin, die bevorzugt eine Native-Speakerin war. Wir führten "auftragsgemäß" (bei paralleler Bildung altersgemischter Klassen von der 1. bis zur 4. Klasse) den "Englischunterricht" für die Klassen 3 und 4, mit Beginn des Schuljahres 2008/9 ab der ersten Klasse ein. Alle Kinder und alle Lehrkräfte treffen sich jeden Mittwoch, an unserem "Kinderuniversitätstag", um 10 Uhr im Forum der Schule. Wir beschlossen gemeinsam Englisch zu lehren und zu lernen. In der Regel singen wir zunächst bekannte und neue englische Lieder. Es gibt Interaktionsspiele oder andere kleinere Übungen, bei denen alle mitmachen können. Oft gibt es eine Präsentation aus allen oder einzelnen Gruppen. Danach geht es in die von den Lehrerinnen und Lehrern angebotenen und den Kindern gewählten Seminare.

Arbeitsformen:

Wir entschlossen uns zu einem Weg, der etwas anders aussieht als unsere sonst sehr eigen bestimmte Arbeitsweise der Kinder aus dem Kreis der Klasse heraus. Der Schwerpunkt in der Arbeit mit der Englischgruppe betont mehr die Planungs-, Team- und Evaluationsarbeit aus der Großgruppe heraus. Man könnte die Arbeit mit dem vergleichen wie LehrerInnenkollegien arbeiten sollten.

Wir Lehrerinnen und Lehrer bieten häufiger an, sind in einem Teil der Arbeitsphasen als Animateure und Vermittler präsenter, in anderen betonen wir mehr die kreative und expressive Selbstständigkeit der Kinder in ihrer experimentellen Produktion von Sprache.

Projektarbeit:

In der ersten Arbeitsphase dieses Schuljahres boten wir etwa 12 verschiedene Projekte an, wovon vier, jedes in Begleitung von LehrerInnen, ausgesucht wurden.

Die ersten Gruppen erkundete und dokumentierte die englische Sprache ihrer Umgebung, in den Medien, mit dem Computer, in Schaufenstern, auf Litfasssäulen, auf und in der Wäsche, in Zeitungen, Songs und Büchern, auf Verpackungen, in der Werbung, im eigenen Sprechen oder wo sonst auch immer.

Die zweite Gruppe bereitete einen englischsprachigen Kinobesuch (in der Schule per Beamer auf großer Leinwand) vor. Eintrittskarten, Getränke, Popcorn und ein bisschen Smalltalk wurden für die Aufführung von "Iceage" vorbereitet.

Die restlichen gut 50 Kinder hatten alle das gleiche Thema gewählt. Es hieß "A virtual village". Hier sollte das Forum der Schule mit Hilfe von Tischen, Stühlen, ein paar Plakaten mit etwas Farbe und Stiften in ein englisches Dorf verwandelt werden. Da die Gruppe zu groß war entschieden wir uns ohne viel Diskussion für ein Girls "Village und ein Boys' Village". Die Kinder benannten in ihren Gruppen über 100 Möglichkeiten, was in einem Ort zu finden sein könnte, von der Policestation über den Footballground, das Postoffice, das Internetcafe, den Ice-Cream-Parlour bis zur Bank. Wir einigten uns darauf, dass an jedem der von ihnen ausgesuchten virtuellen Orte von den Kindern ein Dialog vorbereitet werden sollte: "Who is playing today?", "Oh, Manchester United versus Bayern Munic", "Cool! How much is a ticket?", "Five pounds!", "Okay, here you are!?, "Thank you, and have a nice evening.", "Thank you!" Die Kinder schreiben solche Dialoge selbst, wir korrigieren sie ohne viel Aufheben in möglichst korrektes Englisch. Beim Aufführungstag konnten alle durch ein dann wieder gemeinsames Dorf gehen und sich die Dialoge anhören. Wer wollte konnte mit Hilfe vorbereiteter Karten selbst an einem Gespräch teilnehmen. Übrigens, die Jungs hatten viele Stationen mit kurzen, manchmal lustigen Dialogen, die Mädchen weniger, dafür aber längere und sie boten viele zusätzliche Aktivitäten an.

Kinder gesteuerte Arbeit:

In der nächsten Phase der gemeinsamen Arbeit sammelten wir mit der Großgruppe an einer Tafel alle Möglichkeiten selbstständig, ohne Lehrer, mit oder an Englisch zu arbeiten. Es entstanden 41 Gruppen mit einem bis zu drei Kindern. Der "Renner" war unsere Experimentekartei aus der englischen Grundschule. Auf Englisch erklärte und in Zeichnungen dargestellte Experimente wurden von acht Kinderteams vorbereitet, durchgeführt und auf Englisch bei der Präsentation erklärt. Fünf Gruppen dachten sich kleine Theaterszenen aus, weitere fünf beschäftigen sich mit "Animals", erstellten Bücher oder Plakate, andere hatten als Themen "Colours", "Dragon Names", "Dictionary", "Animals around the School", "Words around the School", "Motorbikes", "Practising to Talk", "Words in the Classroom", "I-Spy-Books", "Talking with the Queen", "Plants", "Song Texts" oder "Cookbooks". Die Ergebnisse waren sehr verschieden in der Qualität und im Anspruch. Bei der abschließenden Präsentation gab es Highlights mit Experimenten, Theaterstücken und den Dragon Names, aber auch sehr schlichte Teile.

Themen differenzierte didaktisierte Arbeit:

Für die folgende Phase der Arbeit beschrieben wir vier Vorgehensweisen. Eine erste Gruppe sollte kreativ arbeiten und Bilderbücher malen und in Englisch schreiben Die zweite sollte das Schwergewicht auf den Holiday-Szenen-Dialoge legen und. Die dritte überließ die Arbeit der Planung des Kreises und die vierte Gruppe sollte eigene freie und lyrische Texte produzieren und diese sprechen lernen. Auch hier bildeten sich in etwa gleich große Gruppen, die sehr konzentriert arbeiteten.

Evaluation:

Wir, die LehrerInnen waren mit der Phase der kindgesteuerten Arbeit etwas unzufrieden, mutmaßten zu wenig Qualität, zu wenig Lernfortschritt, zu viel verplemperte Zeit und eh zu wenig gut gesprochenes Englisch. Die nachfolgende Evaluation mit der Gesamtgruppe aller unserer Englischschüler versöhnte uns in Teilen. Die Kinder waren mit der Phase zufriedener, schilderten ihre Lernerfolge und -erfahrungen, fanden aber die vorherige Projektphase besser. Bei der dritten Phase beschrieben sie das eigenständige, kreative und selbst verantwortete Umsetzen nachdem Animieren durch Satzstrukturmuster, Textformen, Wörterbucharbeit, etc. als sehr positive Erfahrung. Wichtig war ihnen immer eine(n) LehrerIn als Helfer in der Nähe zu wissen. Wir wiederum konnten sie davon überzeugen, dass sie mehr Englischsprechen könnten. So wurde die nächste Phase geplant.

Den eigenen Lehrer aussuchen:

Jedes Kind suchte sich eine oder einen der vier LehrerInnen aus. Die Gruppengröße verteilte sich ziemlich gleich, hier und da mussten wir auf einen Zweitwunsch zurückgreifen. In den "Klassen" werden nun Inhalt und Form in "klassischer" Kreisform untereinander "ausgehandelt". Der "mündliche Sprachgebrauch" hat jetzt Vorrang bei der Arbeit. In meiner Gruppe werden oft Texte produziert, die dann gesprochen oder angewandt werden: Die Kinder können ohne viel Mühe gemeinsam über hundert Tiere und über fünfzig Verben auf Englisch benennen. Sie kennen schon den Satzaufbau mit SPO und bilden in kürzester Zeit ca. 30 Sätze, wie "The tiger lives in the jungle.", "Butterflies dance in the air.", "The shark likes the deep blue sea." oder "The birds fly in the sky." So bildet sich Sprache, Selbstbewusstsein in der Sprache und ein Selbstwertgefühl beim Gebrauch der Sprache. Ich als Lehrer konzentriere mich auf das Mutmachen, Zeigen des eigenen Könnens und die richtige Aussprache.

"Englische" Klassenfahrt:

Der Zufall wollte es, dass eine englische Trainee (Lehramtsanwärterin) genau zur Zeit der Klassenfahrt ihren Ausbildungsmonat an unserer Schule begann. So gab es das Vorlesen englischer Kinderbücher, Rugbyspiele und ein Abendessen komplett in englischer Sprache. Am nächsten Morgen sprachen viele Kinder beim Frühstück weiter auf Englisch. Es folgten eine Schulführung auf Englisch, ein "richtiges" englisches Frühstück und wir erprobten mehr denn je die englische Sprache. Im nächsten Jahr erklärte der nächste Trainee das Cricketspielen.

Planung:

Nach den Osterferien steht die nächste Evaluation in der Großgruppe an. Wir werden vorschlagen zunächst eine Woche lang täglich in den Englischgruppen zu arbeiten. Unser Kollegium diskutiert zur Zeit eine ganze englische Epoche unter Beteiligung aller Kinder und LehrerInnen zu realisieren. Im November werden wir unsere englische Partnerschule kennenlernen. Wir werden mit Mikro, Lautsprecher und Webcam die Computer-Skype-Verbindungen zwischen unseren Klassen herstellen. Ein Grundschüleraustausch ist für die Initiatoren "europäischer Begegnungsprogramme" auch in kürzerer Zeitvorstellbar. We are prepared.

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