Peter-Ustinov-Schule Hannover

Im Vorspann zu dem Artikel heißt es:

In Hannvoer setzt eine Schule auf Exklusion statt Inklusion.

„Der Tag beginnt mit einer Laufrunde durch den Stadtteil, danach lernt ein Teil der Klasse Deutsch, andere malen, einige schmieren Brötchen für den Pausenkiosk. Das ungewöhnliche daran sind nicht die Inhalte, sondern dass er überhaupt stattfindet. Denn viele der Kinder und Jugendlichen dieser besonderen Klasse galten als „unbeschulbar“. (E&W, 03/2020S. 36-37, Esther Geißlinger)

Elena findet Schule langweilig, Lesen doof. „Trotzdem ist sie hier. Kommt morgens pünktlich, steht mittags am Ausgabeschalter des Kiosks, um Brötchen und Saft zu verkaufen. Dabei ist die 13-jährige, die aus der Minderheit der Roma stammt, lange zeit nur unregelmäßig zur Schule gegangen. […] Da ist die schüchterne Rosa (15), die erst mittags aufblüht, als die Tierpädagogin Svenja Grün das Gatter mit den Meerschweinchen aufbaut. […] Oder Florentina, die monatelang zu Hause blieb, weil die Mutter die 14-jährige als Hilfe bei der Betreuung der jüngeren Geschwister brauchte.“

Doch während Lehrkräfte aus anderen Schulen erzählen, dass die Kinder „schwänzen, sich prügeln, Erwachsene auslachen oder anpöbeln“, während Lehrkräfte von ‚Clanstrukturen‘ sprechen, nur noch ein Kind einer Minderheit pro Klasse erlauben, ‚um zu verhindern, dass der Unterricht gestört wird‘, wird in dieser Klasse ‚an allen Tischen gelernt. „Hinten sitzen zwei Jungen vor einem Vokabel-Memory, vorne beugt sich Elena über ein Zahlenlege-Spiel.“

Eva Grünreich sagt: ‚Beliebig ist dieser Unterricht keineswegs, sondern basiert auf einem pädagogischen Konzept, das über drei Jahre evaluiert und angepasst wurde. Trotzdem hat die Klasse nur eine vorläufige und nur mündliche Genehmigung. Die entgültige Anerkennung des Projekt steht noch aus.

Das faszinierende ist, dass Eva Grünreich nicht den Unterricht oder die Inhalte in den Vordergrund stellt, sondern ganz rigoros die Kinder und ihre aktuellen Bedürfnisse – die sich auch durchaus aufLerninhalte erstrecken, aber erst dann, wenn Vertrauen und Sicherheit für sie gegeben ist. Die Beobachtung ist: ‚Wenn erst einmal die Startschwierigkeiten überwunden sind, holen sie schnell auf.‘ Vertrauen und Willkommen sind das A und O. Damit ist Eva Grünreich ganz, ganz nah am Offenen Unterricht. Denn auch im OU kommen die Kinder vor dem Unterricht!

„Eva Grünreich würde das Konzept am liebsten noch weiter ausbauen. Ihrer Meinung nach wäre ein Zentrum mit KITA, Vorschule und Anfängerklassen sinnvoll, in denen ‚Schulungeübte‘ an den Unterricht herangeführt werden können.“ Ich meine, dass das ‚Heranführen‘ nicht als Zielvorgabe verstanden werden darf, sondern als Einladung an die Kinder und Jugendlichen, das Lernen für sich zu entdecken. Falko Peschel meint wohl genau das, wenn er dafür eintritt, das ‚Lernen hochzuhalten‘.

JG

LegaKids-Blog: Pisa 2018 – Bildungspolitiker*innen lassen Kinder im Stich

Im Blog von LegaKids schreibt Michael Kortländer, klinischer Psychologe, über die Bundesministerin für Bildung und Forschung (CDU) Anja Maria-Antonia Karliczek, sie habe die LEO-Studie 2018 völlig falsch interpretiert. Sie sagt: Es sei wunderbar, dass es im Vergleich zu früher über eine Million weniger Menschen gäbe, die nicht ausreichend lesen und schreiben könnten. „Das ist ein Erfolg, den unser Bildungssystem in den letzten Jahren geschafft hat.“ Tatsache ist, dass der Unterschied der LEO-Studien von 2010 und 2018 „minimal und nicht signifikant“ (Sprecherin des Beirates der LEO-Studie) sei.

Michael Kortländer: „Klar aber ist, dass sich eine maßgebende Zahl in den letzten Jahren NICHT verändert hat: Jedes fünfte Kind hat große bis sehr große Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben. So braucht sich niemand zu wundern, dass 43 Prozent der Jungen und 24 Prozent der Mädchen in Deutschland Lesen für Zeitverschwendung halten. Auf die kontinuierlichen Beschwichtigungen der Länder und des Bundes können Eltern und Lehrerkräfte daher getrost verzichten.“

Lesen Sie den ganzen Beitrag im Blog von LegaKids.

Bei Youtube gibt es auch von Prof. Dr. Gerald Hüther eine Reihe mit harscher Schulkritik: Wieso die Schulen versagen, Schule und Gesellschaft – die Radikalkritik, „Wissen kann man nicht beibringen“, …

Jürgen Göndör

Das andere Schulzimmer

In Mannheim gibt es seit dem 8. Oktober 2018 ‚Das andere Schulzimmer‘.

Nicht nur in deutschen Großstädten, aber eben auch hier zulande, ist es für junge Menschen nicht immer einfach, einen Schulabschluss zu erreichen. Das Hauptproblem ist, dass das System der Schulen nicht immer zu dem passt, wie junge Leute lernen können. Lernen im Gleichschritt, immer nach Lehrplan und meist nicht nach den Interessen der SchülerInnen, Lernen in einem Klassenverband der auf Wettbewerb ausgerichtet ist, Lernen nach festgelegtem Stundenplan – Mathematik oder auch Deutsch oder ein beliebiges anderes Fach z.B. immer am Dienstag von 8:45 – 9:30 Uhr, Lernen nach Fächergrenzen, Lernen in Häppchen, für alle das gleiche Thema, die gleiche Fagestellung. Keine Mitsprache der SchülerInnen zu dem, was gelernt werden soll und wie gelernt darf. Demokratie in der Schule schon, aber nicht im Unterricht!

Wie soll es denn auch anders gehen? Wenn da jeder lernen wollte, was er lernen will – das kann ja gar nicht funktionieren! Und wer da nicht mitzieht, der wird ausgesondert. Bekommt es schwarz auf weis, das er jetzt nicht das gelernt hat, was alle in der Klasse lernen müssen. So ist das eben. Die Lehrer müssen bestimmen, was gelernt werden soll – das ist doch ganz klar!

Nur, wer da nicht mitzieht ist nicht doof, ist nicht unfähig. Er hat möglicherweise nur Schwierigkeiten sich einzupassen in diesen Lernzwang, den Schule zelebriert. Das führt in vielen Fällen bei SchülerInnen in eine Verweigerungshaltung. Sie haben gar keine Lust mehr sich diesem ‚Lernen müssen‘ auszusetzen. Unweigerlich führt das zu schlechten Noten. Im Extremfall – der so extrem selten gar nicht ist – sogar zur Abschulung.

Schule – so wie sie seit jahrzehnten ist – scheint unfähig, ein Lernen ohne Zwang zu ermöglichen. Ohne diese harte Struktur aus Lehrplan und Zeitplan, ohne Kontrolle: Abfragen, Tests, Klassenarbeiten, ohne den gnadenlosen Wettbewerb um gute Noten.

So ist es eben nicht! Babies und Kinder lernen vom ersten Tag ihres Lebens – meist sehr erfolgreich! Viele Kinder können schon vor Schulbeginn rechnen und Lesen, manche sogar auch schon schreiben. In der Schweiz und wahrscheinlich auch anderswo, wachsen Kinder sogar mehrsprachig auf. Ohne den schulischen Lernzwang! Um dann in der Schule zu versagen? Ist doch Irre!

Und das ist alles auch noch abhängig von bestimmten Voraussetzungen: Bildungsstand der Eltern, von der finanziellen Situation der Familie, … . „20,8 % der unter 15jährigen sind von Kinderarmut betroffen, 60 & der unter 18jährigen weisen einen Migrationshintergrund auf und die Schulabbrecherquote liegt bei 6,3 %. “ https://www.das-andere-schulzimmer.de/hintergrund-idee

So ist es eben nicht! Babies und Kinder lernen vom ersten Tag ihres Lebens – meist sehr erfolgreich! Viele Kinder können schon vor Schulbeginn rechnen und Lesen, manche sogar auch schon schreiben. In der Schweiz und wahrscheinlich auch anderswo, wachsen Kinder sogar mehrsprachig auf. Ohne den schulischen Lernzwang! Um dann in der Schule zu versagen? Ist doch Irre! Und das ist alles auch noch abhängig von bestimmten Voraussetzungen: Bildungsstand der Eltern, von der finanziellen Situation der Familie, … . „20,8 % der unter 15jährigen sind von Kinderarmut betroffen, 60 & der unter 18jährigen weisen einen Migrationshintergrund auf und die Schulabbrecherquote liegt bei 6,3 %. https://www.das-andere-schulzimmer.de/hintergrund-idee

Wer also in einer Familie aufwächst, in der die Eltern einen guten Schulabschluss erreicht haben, die nicht von Armut betroffen sind, die keine ‚Migranten‘ sind, die ihre Kinder mit Interesse an ihrem Lernen und vielleicht mit Nachhilfe unterstützen können, die brauchen kein anderes Schulzimmer.

Wenn es nicht so gut klappt, für die gibt in Mannheim eine Initiative: Das andere Schulzimmer. Dort können Jugendliche, die in der Schule ‚versagt‘ haben, ihnen fehlende Schulabschlüsse nachholen. Und das klappt! Nicht immer – selbst wollen muss man schon.

„Deshalb ist es das Ziel des anderen SchulZimmers, diese Jungen Menschen darin zu unterstützen, ihren individuell höchstmöglichen Bildungsabschluss zu erreichen, um so einen guten Berufseinstieg zu ermöglichen. Das andere SchulZimmer möchte ein Ort für junge Menschen sein, die ihr Leben in die eigene Hand nehmen und sich eine Zukunft durch Bidlung aufbauen möchten. Es möchte ihnen einen Raum geben, in dem sie sich wohl und sicher fühlen und unterstützung erfahren.“ https://www.das-andere-schulzimmer.de/hintergrund-idee

Junge Menschen zwischen 16 und 27 Jahren können jederzeit von Montag bis Freitag von 15:00 bis 18:00 Uhr selbst oder telefonisch 0621-48495171 ein Aufnahmegespräch vereinbaren. Weitere Informationen unter der Internetadresse http://das-andere-schulzimmer.de

Den Beitrag im Deutschlandfunk über ‚Das andere SchulZimmer‘ kann man hier nachlesen und mit Smartphone oder Tablet auch anhören:

https://www.deutschlandfunk.de/spendenfinanziertes-projekt-lebensmut-durch-schulabschluss.680.de.html?dram:article_id=464003

Schule in der Kritik

Schulkritik gibt es schon lange. Eine der bekanntesten Kritikphasen war die Reformpädagogik. Ziel war die Obrigkeitsschule des Kaiserreiches. Motto: Das Kind in den Mittelpunkt stellen.

Verbunden ist diese Zeit mit bekannten Namen: Maria Montessori: Hilf mir es selbst zu tun, Rudolf Steiner und Waldorf, Célistin Freinet: Den Kindern das Wort geben und vielen weiteren Menschen. Dann kam der Nationalsozialismus, u.a. mit der Gleichschaltung der Schulen. Die Individuatität der Reformpädagogik wurde rigoros unterdrückt. Mit der Schule im Nationalsozialismus hielt such die Schulpflicht in Deutschland Einzug, 1938. Die hat sich hierzulande bis heute erhalten und dauert bis zum 18. Lebensjahr – in der Berufsschule sogar noch bis zum Ende der Berufsschulzeit.

Bis in die 1973 – in Bayern sogar bis 1980 – dauerte es, bis körperliche Strafen in der Schule verboten wurden. In Finnland waren sie schon am 1914, in der DDR schon ab 1949, SchülerInnen an Privatschulen mussten noch bis 1990 warten. Seit 1989 gilt das Verbot der körperlichen Strafen auch im Elterlichen Bereich, doch Ohrfeigen oder Schläge auf den Po werden immer noch toleriert, sie müssen jedoch maßvoll und angemessen sein – was immer das auch heißt.

In der Schule haben sich körperliche Strafen seither auf psychische Übergriffe verlagert. Gemeint sind Beleidigungen, Drohungen, Einschüchterung, Erpressung oder Lächerlich machen. Nicht nur von Lehrern gegenüber SchülerInnen, auch von SchülerInnen untereinander. Vollkommen aus dem Blick ist die strukturelle Gewalt an Schulen. Damit ist die Einzwängung der SchülerInnen durch die Schulpflicht, die Unfreiheit das dann zu lernen, wann man möchte und auch bereit dazu ist, das Diktat des Stundenplan und durch das Stundenraster. Die Einengung der körperlichen und geistigen Bewegungsfreiheit der SchülerInnen: das Stillsitzen, die Einschränkung der Bewegung, des Redebedürfnisses, des Austausches mit anderen SchülerInnen selbst zu unterrichtlichen Themen ist nur erlaubt, wenn die LehrerIn das eingeplant hat.

„Viele der gesundheitlichen Störungen von Schülern, vor allem solche psychischer oder psychosomatischer Art, hängen eng mit dem System Schule zusammen“, sagt der Bildungs- und Gesundheitswissenschaftler Klaus Hurrelmann. Auf eine griffige Formel gebracht: Schule macht krank.

Noch schärferes Geschütz fahren z.B. der Gehirnforscher Gerald Hüther, oder der Philosoph Richard David Precht auf: Schule – so wie sie ist – erzieht zu Unselbstständigkeit, zur Anpassung. Eigeninitiative von Schülern ist nur im Sinne des Unterrichts erwünscht. Gerald Hüther macht deutlich, daß er nicht die Schule revolutionieren will. Er habe versucht aus dem Blickwinkel der Gehirnwissenschaft zu verstehen, was in Schule geschieht und anderen Menschen verständlich zu machen, wie sich das Auswirkt. „Ein normaler Alltag eines Schülers sieht so aus, dass er fünf oder sechs verschiedene Fächer an einem Tag hat und in den meisten dieser Fächer auch noch regelmäßig geprüft wird. … Das würde kein Erwachsener mit sich machen lassen.“ (R.D. Precht)

Auf youtube haben sich im Laufe der Zeit viele Videos angesammelt, die diese Kritik am Schulsystem aus ganz verschiedenen Blickwinkeln beleuchten: SchülerInnen, die noch in der Schule sind, Influencer, die SchülerInnen und Wissenschaftler interviewen, Berichte, die belegen, dass es auch ganz ohne Schule geht (Homeschooler, Freilerner), ein inzwischen erwachsener Mann, der mit 16 die Schule (Summerhill) verlassen hat, und kaum lesen und Schreiben konnte – es hatte ihn nicht interessiert, Wissenschaftler und Eltern nehmen sich das Wort. Eine grobe Übersicht mit den Videos verlinkt lädt zum stöbern ein.

https://offener-unterricht.net/ou/start-offu.php?action=schulkritik

Eine Antwort auf Michael Winterhoff

Bei Marcus Lanz durfte Michael Winterhoff am 23.5.19 seine neuestes Buch vorstellen:

Deutschland verdummt!

Am 1. 6. erschien in der Zeit folgende Rezension von Martin Spiewak zu seinem Buch:

https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2019-05/deutschland-verdummt-michael-winterhoff-bildungssystem-paedagogik-kinder

Am 6. 6. ein weiterer Beitrag von Martin Mair im Deutschlandfunk Kultur:

Der Sound der Apokalypse

https://www.deutschlandfunkkultur.de/michael-winterhoff-deutschland-verdummt-der-sound-der.1270.de.html?dram:article_id=450972

Dem ist kaum etwas hinzuzufügen.

Evtl. doch: Gerald Hüther: Die Wahrheit über unser Schulsystem – Prof. Dr. Gerald Hüther spricht Klartext (8. Februar 2019) auf youtube:

https://www.youtube.com/watch?v=4roErUzRPiA

Jürgen Göndör