Autor: Falko Peschel
Wochenplanunterricht - Stufen der Öffnung
Die Öffnung von Unterrichtsformen lässt sich gut am Beispiel des Wochenplanunterrichts veranschaulichen. Bezugspunkte sind dabei nicht nur die Selbstständigkeit und Selbstverantwortung der Kinder, sondern auch lernpsychologische und motivationstheoretische Aspekte. Hans Brügelmann und Erika Brinkmann veranschaulichen die Qualitätssicherung des Wochenplanunterrichts in ihrem Buch "Die Schrift erfinden" (vgl. 1998, 57ff.) anschaulich an Hand von vier Wochenplantypen:
So wird ein Wochenplan mit ganz konkreten Arbeitsvorgaben (Plan A), wie er wohl mit Abstand am häufigsten in der Praxis vorzufinden ist, durch das Einräumen eines gewissen Freiraumes bei der Herangehensweise an die Aufgaben zu einem Wochenplan, der dem Kind eine erste Eigendifferenzierung ermöglicht (Plan B). Zwar werden die Inhalte thematisch noch eng vorgegeben, aber durch das Erweitern der methodischer Zugangsweisen kann das Kind selbst für ein Stück mehr an Passung im Hinblick auf sein eigenes Lernvorgehen sorgen.
Wenn man auf diese Weise als Lehrer den Gleichschritt der Klasse immer mehr aufgebrochen hat, fragt man sich irgendwann, warum eigentlich alle Schüler das gleiche Thema bearbeiten müssen? Arbeiten sie nicht alle auf so unterschiedlichem Niveau, dass das "Gleiche" an diesen Arbeiten sowieso nur gering ist - der Anspruch dieser "Gleichheit" aber bei vielen der Kinder zu Über- und Unterforderung führt?
Wenn man Lesen, Schreiben und Rechnen durch Lesen, Schreiben und Rechnen lernt, dann kann egal sein, ob Peter eine Geschichte über Piraten schreibt und Lukas daneben eine über seinen letzten Urlaub in Italien. Und wenn Christine lieber Harry Potter liest als die Geschichte vom "tolpatschigen Osterhasen" im Lesebuch, ist auch das in Ordnung bzw. im Grunde sogar von ungleich höherem Niveau. Und beim Automatisieren des Einmaleins macht es bestimmt mehr Sinn, die Vorkenntnisse zu berücksichtigen und die Reihen zu üben, die man noch nicht beherrscht, als die, die gerade "dran" sind (Plan C). Während der Lehrer gar nicht für 20 oder 30 Kinder "von oben" differenzieren kann, so kann aber jedes der 20 bis 30 Kinder für sich selbst "von unten" individualisieren.
Und wenn man als Lehrer schließlich merkt, dass auch dieser Freiraum von den Kindern nicht missbraucht wird, ja sich sogar plötzlich eine ganz andere Lernatmosphäre in der Klasse entwickelt, wird man konsequent weiterdenken und zu dem Schluss kommen, dass der höchste Grad an Passung zwischen Kind und Stoff sowie die höchste Lernmotivation und Selbstständigkeit dann erreicht wird, wenn das Kind sich seinen eigenen Arbeitsplan macht. Schriftlich festgehalten oder auch nicht, als Selbstverpflichtung für einen bestimmten Zeitraum im Voraus oder auch nicht, unter der Vorgabe vom Fächern oder auch nicht, in Absprache mit dem Lehrer oder auch nicht (Plan D).
Erst jetzt kommt die Rollenveränderung zustande, mit der die Öffnung des Unterrichts überhaupt begründet werden kann: der Schüler agiert selbstgesteuert und selbstverantwortlich, der Lehrer steht ihm bzw. der Klasse koordinierend, beratend und impulsgebend zur Seite - nimmt den Schülern die Selbstverantwortung aber nie ab. Dabei wird der Lehrer schnell merken, dass die Kinder die Pläne eigentlich gar nicht benötigen - Pläne verwenden nach einiger Zeit dann nur noch einzelne Kinder als "Lernverträge" mit sich selbst, dem Lehrer oder der Klasse. Der Übergang vom Wochenplanunterricht zur Freien Arbeit wird fließend - und damit auch zum "Offenen Unterricht".
Literatur:
Brügelmann, Hans/ Brinkmann, Erika: Die Schrift erfinden. Lengwil (Libelle) 1998
Peschel, Falko: Offener Unterricht - Idee, Realität, Perspektive und ein praxiserprobtes Konzept zur Diskussion.
Teil I: Allgemeindidaktische Überlegungen. Teil II: Fachdidaktische Überlegungen. Baltmannsweiler (Schneider Verlag Hohengehren) 2002
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