Offener Unterricht
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  • Deutschland - offene Curricula

    In Deutschland wurde von H. Kasper (1967) und von Jung (1968) auf die Entwicklung in England aufmerksam gemacht - jedoch ohne große Resonanz. Die Diskussion über Offenheit begann erst mit einem Bericht über 'Offene Curricula' von Hans Brügelmann (1972). Er plädiert für Curricula, die unter Beteiligung von Schulen (Lehrer, Eltern, Schüler) entwickelt werden. (Brügelmann, Hans: Offene Curricula. Der experimentellpragmatische Ansatz in englischen Entwicklungsprojekten. In: Zeitschrift für Pädagogik Heft 1972, 95-118.) Auch von dem Bericht Brügelmanns interessierte mehr der Begriff (offene Curricula) als der Inhalt (Vgl. Göhlich, S. 30)

    Der Deutschen Bildungsrat hatte zwar mit seiner Forderung nach Binnendifferenzierung die Grundlagen für die Öffnung von Schulen gelegt und die Richtlinien forderten ein hohes Maß an Differenzierung und Individualisierung. Zu gegensätzlichen Forderungen kamen allerdings die unabhängig davon arbeitenden Lehrplankommissionen, die die allgemein geforderte Wissenschaftsorientierung mit kleinschrittigen, behavioristisch orientierten Lernzielvorgaben umsetzten.

    1974 startet in Berlin das 'Tempelhover Projekt' an der Paul Klee Grundschule und bezieht sich ausdrücklich auf die englische 'informal education'. Ab Mitte der 70er Jahre wird die auch unter den Begriffen 'Offener Unterricht' und open education diskutiert. Allerdings wird aus dem Konzept offenen Unterrichts mehr ein Konzept zur ehr pragmatischen und kleinschrittigen Öffnung des Unterrichts. Die Folge ist, dass die 'Aufnahme irgendeines reformpädagogischen Elements als Offenheit' (Göhlich, S. 34) angesehen wurde. Aus dem radikalen Frage- und Forschungsunterricht der Kinder wurde ein ehr organisatorisch aufgelockerter Unterricht mit Leseecken, Wochenplan und Lernkarteien. (Vgl. Göhlich, 34f)



    Forschungslage des Offenen Unterrichts vor 2003


    In der Folge einer Renaissance reformpädagogischer Ideen wurde die Forderung nach offenen Curricula mit reformpädagogischen Konzepten vermischt. Da weder reformpädagogische Konzepte einheitlich sind (Vgl. Oelkers, Jürgen: Reformpädagogik, 1986, S. 10f), noch der Begriff Offener Unterricht mit einer konkreten Form verbunden werden konnte, war das Chaos perfekt.

    Auch wissenschaftlich gesehen war die Forschungslage zum Begriff 'Offener Unterricht' verworren. Offenheit war ein gern gebrauchter Terminus in der Sprache der Pädagogen (Nehles, R.: Offenheit - Pädagogisches Engagement ohne Theorie?, Frankfurt/Main 1981, S. 9) So machte Schulz auf die desolate Situation aufmerksam: Es bestand keine Einigkeit über die Darstellungen und Dimensionalitäten dieses offenen Unterrichts. Verschiedene Autoren bezogen sich auf unterschiedliche Reformpädagogen mit unterschiedlichen Ansätzen. Veröffentlichung blieben auch fragmentarisch und erschwerten so eine handlungsleitende Orientierung.(Schulz, Wolfgang: Offene Fragen beim Offenen Unterricht. In: Grundschule Heft 2/1989, S. 30-37)

      "Die Wurzeln des Offenen Unterrichts sind vielfältig und entstammen den unterschiedlichsten Bereichen."(Peschel, Bd. I, 2006, S. 43) er ist eher ein Sammelbegriff für Unterricht, der sich in Bezug auf den vorherrschenden Frontalunterricht von diesem als alternativ und fortschrittlich absetzen wollte. Dies bezieht sich sowohl auf die Methoden als auch auf die jeweilige didaktische Legitimation des jeweils vorgestellten Unterrichts. es gab weder eine einheitliche Vorstellung von dem was mit Offenheit gemeint war noch ein grundlegendes Begriffsverständnis, auf das man sich hätte beziehen können.

      Dieter Lenzen (Offene Curricula - Leidensweg einer Fiktion, in: Haller, H.-D./Lenzen, D.: Lehrjahre in der Bildungsreform. Resignation oder Rekonstruktion, Stuttgart, Klett 1976, S. 138-162, hier: vgl. S. 144) kritisiert offene Curricula "als nichtssagenden 'Slogan', dessen konstitutive Merkmale 'Vagheit' und 'Unbestimmtheit' sind, sodass keine Intersubjektive Interpretation möglich ist und damit die einzelnen inhaltlichen Entscheidungen weitgehend indiskutabel und unsinnig werden." (Peschel, Bd. I, 2006, S. 46)

      Peschel nennt alleine 11 unterschiedliche Merkmale, ohne die Liste abgeschlossen zu haben (Peschel, Bd. I, 2006, S. 47), wie Offenheit definiert werden konnte.

      Hildegard Kasper (Offener Unterricht. Modewort oder Besinnung auf schulische Lernkultur, in: Kasper, H. (Hrsg.): Laßt die Kinder lernen. Offene Lernsituationen, Braunschweig, 1989, S. 5) formuliert: "Offenen Unterricht definieren zu wollen ist ein Widerspruch in sich selbst."

      Oder Dieter Haarmann (Resumé), in: Kasper, H. (Hrsg.): Laßt die Kinder lernen. Offene Lernsituationen, Braunschweig, 1989, S. 118): "Für die Öffnung des Unterrichts haben wir kein Rezept, kein Modell, keine Gebrauchsanweisung, keine Parameter."

      Und Wulf Wallrabenstein (Offene Schule - Offener Unterricht. Ratgeber für Eltern und Lehrer, Reinbeck bei Hamburg, 1991): "Offener Unterricht ist Sammelbegriff für verschiedene Reformansätze in vielfältigen Formen inhaltlicher, methodischer und organisatorischer Öffnung...".

      Oder Gerhard Sennlaub (Auf die Reform sind wir stolz, in: Sennlaub, G. (Hrsg): Mit Feuereifer dabei. Praxisberichte über freie Arbeit und Wochenplan, Heinsberg, 1990, S. 9 - 18): "Ich werde mich an der Diskussion, was denn rechte Freiarbeit sei, nicht beteiligen. Und welche Wochenplanarbeit wem warum genehm ist, halte ich für ganz und gar uninteressant."

      Oder Rainer Winkel (Offener oder beweglicher Unterricht? in: Grundschule, Heft 2/93, S. 14 - 16): "In diese Müllschlucker-Definition ist mittlerweile so alles hineingeworfen worden, was reformpädagogisch Rang und Namen hat."

      Und Hans Brügelmann (Öffnung des Unterrichts. Befunde und Probleme der empirischen Forschung, OASE-Bericht 10a, Universität Siegen, 1997): "Je nach Härte des Kriteriums sind es allenfalls 1 - 25 % der LehrerInnen bzw. der Unterrichtsanteile, die sich an offenen Unterrichtskonzeptionen orientieren." Es ist auch Brügelmann der feststellt (Ebenda): "Zwischen der theoretischen Diskussion und der pädagogischen Praxis klafft eine große Lücke."

      Wulf Wallrabenstein gibt z.B. als Arbeitsformen Freiarbeit, Wochenplan und Projektunterricht an ohne Rücksicht darauf, dass diese Arbeitsformen in der Schule praktisch ganz anders umgesetzt werden, nämlich nicht offen.

      Oder Jörg Ramseger (Offener Unterricht in der Erprobung, Weinheim, 1977): "Sind alle anderen Bedingungen gleich, so ist ein Unterricht offener als ein anderer, wenn...".

    Eine gute Übersicht über neun Definitionsversuche und verschiedene Ansätze sowie die anvisierten Ziele des Offenen Unterrichts bringt Joachim Brenner: Alter Wein in neuen Schläuchen (Wissenschaftliche Hausarbeit im Rahmen der ersten Staatsprüfung für das Lehramt an Sonderschulen, Internetveröffentlichung, 2002; http://www.foepaed.net/ brenner/offener-unterricht.pdf). Die Untersuchung der verwendeten Methoden erbringt ein gleiches facettenreiches Ergebnis.

    Joachim Brenner kann zusammenfassend nur feststellen, "dass der Offene Unterricht (2002) überwiegend als "DAS" pädagogisch-didaktische Konzept dasteht und somit gerade den Fortschritt und das Erforschen alternativer Unterrichtskonzepte verhindert."(J. Brenner, S. 73, Hervorhebung JB)



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